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Die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken im Referentenentwurf zum JStG 2024

30.04.2024 | FGS Blog

Grundstücke sind für Zwecke der Grunderwerbsteuer nach derzeitigem Recht nicht zwingend dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den letzten Jahren ein komplexes, aber in sich weitgehend geschlossenes System für die Grundstückszurechnung bei Anteilsübertragungen entwickelt. Die Finanzverwaltung reagierte hierauf Ende 2023 mit einem Anwendungserlass (sog. „Zurechnungserlass“), der die Rechtsprechung teilweise umsetzte, teilweise aber auch darüber hinausgehende, sehr umstrittene Auffassungen – insbesondere hinsichtlich einer gleichzeitigen Doppelzurechnung von Grundbesitz zu mehreren Gesellschaften – enthielt (siehe Blog-Beitrag vom 10.11.2023). Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz (JStG) 2024 sieht eine erstmalige gesetzliche Regelung zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken für Zwecke der sog. Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG vor.

Grundregel: Zurechnung bei Rechtsvorgängen, die zu einer Grundstücksübertragung führen (§ 1 Abs. 1 GrEStG)

Der Referentenentwurf zum JStG 2024 sieht vor, dass ein Grundstück einer Gesellschaft grundsätzlich nur dann zugerechnet wird, wenn diese das Grundstück durch einen nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbaren Vorgang erworben hat (z.B. Kauf des Grundstücks). Die Zurechnung von Grundstücken soll also nur aufgrund von Vorgängen erfolgen, die darauf gerichtet sind, dass das Eigentum an dem Grundstück übergeht (insbesondere: Kaufvertrag, Auflassung, Übereignung). Anteilsgeschäfte sollen dagegen nicht mehr zu einer Änderung der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung führen. Der Regelungsentwurf sieht insbesondere – anders als in der bisherigen BFH-Rechtsprechung angelegt – keine Zurechnung infolge einer sog. Anteilsvereinigung oder Übertragung vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) vor.

Rückwirkende Zurechnungsänderung bei einer Rückabwicklung der Grundstücksübertragung

Um missbräuchliche Gestaltungen bei sog. grunderwerbsteuerlichen Rückabwicklungen zu vermeiden, ordnet der Entwurf einen rückwirkenden Entfall der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft an. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn die Anwendung der allgemeinen Zurechnungsregel sonst zu einer Steuervermeidung führen würde. Der Gesetzgeber möchte hierdurch Gestaltungen unterbinden, bei denen Grundstücke vorübergehend auf eine andere Gesellschaft übertragen werden, danach die Anteile an der „grundbesitzlosen“ Gesellschaft veräußert werden und diese anschließend den Grundbesitz wieder zurückerwirbt. Hier sieht der Gesetzgeber Umgehungspotenzial, denn das Hin- und Herübertragen des Grundstücks führt zu keiner Grunderwerbsteuer, wenn die Voraussetzungen für eine grunderwerbsteuerliche Rückabwicklung vorliegen. Durch den Regelungsentwurf wird das Grundstück in diesen Fällen wieder rückwirkend dem ursprünglichen Eigentümer zugerechnet, obwohl er vorübergehend nicht der zivilrechtliche Eigentümer war. In der umgekehrten Konstellation (d.h. Grundstückszurechnung im Zeitpunkt des Share Deal und anschließende Rückabwicklung des Grundstückserwerbs) ist hingegen keine rückwirkende Änderung der Zurechnung geplant. Dies erscheint nicht folgerichtig. An dieser Stelle sollte der Entwurf nachgebessert werden, um eine ungerechtfertigte Besteuerung zu vermeiden.

Verdopplung des Grundstücks bei Vorliegen einer Verwertungsbefugnis

Neben der Zurechnung aufgrund eines Rechtsvorgangs nach § 1 Abs. 1 GrEStG soll ein Grundstück „auch“ einer Gesellschaft „gehören“, die die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG an ihm innehat. Wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt, soll in einem solchen Fall eine „zeitgleiche“ Doppelzurechnung stattfinden. Damit weicht der Gesetzesentwurf von der jüngsten Rechtsprechung des BFH ab, wonach die Verwirklichung eines nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Vorganges eine Zurechnung des Grundstücks nur noch zu dem Verwertungsbefugten nach sich zieht, diese aber die Zurechnung zum zivilrechtlichen Grundstückseigentümer verdrängt. Die mögliche Doppelzurechnung betrifft z.B. zahlreiche Treuhandstrukturen, sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Konzerns.  Ob in diesen Fällen auch eine Doppelbesteuerung droht, ist offen. Der Referentenentwurf trifft keine Aussage zur Vermeidung dieser Rechtsfolge.

Fazit und Änderungsbedarf

Die im Referentenentwurf zum JStG 2024 enthaltenen Regelungen zur Grundstückszurechnung sorgen grundsätzlich für eine wünschenswerte Vereinfachung, da insbesondere durch Anteilsgeschäfte keine Veränderung der Grundstückszurechnung mehr eintreten würde.

Die aus der bisherigen Verwaltungauffassung resultierenden Doppelzurechnungs- und Doppelbesteuerungsrisiken werden durch den Entwurf jedoch nicht vollständig beseitigt. Denn für Fälle, in denen die Verwertungsbefugnis bei einer anderen Gesellschaft als der Eigentümerin des Grundstücks liegt (z.B. zahlreiche Treuhandstrukturen), ist nach dem Entwurf die „zeitgleiche“ Zurechnung nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG vorgesehen. Hierdurch würde unnötigerweise das vom BFH entwickelte sachgerechte Zurechnungssystem zerstört, wonach eine Zurechnung nur bei einer Gesellschaft vorliegen kann und zwar vorrangig bei der, die die Verwertungsbefugnis innehat. Auch bei der rückwirkenden Zurechnung in Fällen des § 16 GrEStG besteht noch Nachbesserungsbedarf, da diese nach dem Referentenentwurf nur einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen greift.

Allgemein wäre zudem zu begrüßen, wenn mit dem JStG 2024 nicht nur die Zurechnungsthematik, sondern auch die – in ihrer Auswirkung völlig außer Kontrolle geratene – „Signing/Closing“-Theorie adressiert und einer sachgerechten Regelung zugeführt würde, die eine Mehrfachbesteuerung einheitlicher Vorgänge rechtssicher ausschließt.

Eine ausführliche Version dieses Beitrags erscheint demnächst in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (DStR).