Wenn Wirtschaftsgüter von einer Gesamthand, etwa einer Personengesellschaft, gehalten werden und der Gesellschafter seinen Anteil an der Gesellschaft veräußert, liegt der Gedanke nahe, diese Anteilsveräußerung wie eine anteilige Veräußerung der auf den Gesellschafter entfallenden Wirtschaftsgüter zu behandeln. Denn nach der sog. Bruchteilsbetrachtung werden Wirtschaftsgüter, die mehreren Personen zustehen, grundsätzlich anteilig den Personen zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO).

Der Bundesfinanzhof (BFH) stellte jedoch in der jüngeren Vergangenheit in mehreren Urteilen heraus, dass die Anschaffung bzw. die Veräußerung eines Anteils an einer Erbengemeinschafts bzw. Personengesellschaft steuerlich nicht mit der Anschaffung bzw. Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter der Erbengemeinschaft/Personengesellschaft gleichgestellt werden kann (BFH v. 26.9.2023 – IX R 13/22 zu § 23 EStG bei Erbengemeinschaften; BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18 und BFH v. 18.8.2021 – XI R 43/20 zu § 6 Abs. 5 EStG bei Mitunternehmerschaften).

Dieser Rechtsprechung kann in unterschiedlichen ertragsteuerlichen Regelungsbereichen eine enorme Bedeutung zukommen, da die Veräußerung von Wirtschaftsgütern z.B. für die Beurteilung der Steuerbarkeit von Vorgängen (§ 23 EStG) oder auch für die Beurteilung von sog. steuerlichen Sperrfristverstößen (z. B. in § 6 Abs. 5 S. 4 EStG, § 16 Abs. 3 S. 3 EStG, § 15 Abs. 2 UmwStG oder § 22 UmwStG) relevant sein kann.

So entschied der BFH etwa, dass kein sog. privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG vorliegt, wenn eine Person einen Anteil an einer grundbesitzenden Erbengemeinschaft erwirbt und kurze Zeit später das betroffene Grundstück veräußert. Denn in diesem Fall entspricht der erworbene Gegenstand (Anteil Erbengemeinschaft) nicht dem veräußerten Gegenstand (Grundstück). Da § 23 EStG jedoch eine Nämlichkeit des erworbenen und veräußerten Gegenstandes voraussetzt, scheidet eine Steuerbarkeit aus.

Implikationen der Rechtsprechung für die Steuerplanung

Für private Veräußerungsgeschäfte im Anwendungsbereich des § 23 EStG hat die Rechtsprechung nur eine begrenzte Auswirkung. Insbesondere gilt sie nicht für Personengesellschaften. Denn in § 23 Abs. 1 S. 4 EStG ist ausdrücklich geregelt, dass der Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft wie ein anteiliger Erwerb des Vermögens der Personengesellschaft behandelt wird. Steuerliche Gestaltungen mit Personengesellschaften sind damit nicht möglich.

Bei ertragsteuerlichen Sperr- bzw. Nachbehaltensfristen nach Wirtschaftsgütertransfers und Umwandlungen (etwa in § 16 Abs. 3 S. 3 EStG oder § 15 Abs. 2 S. 4 und § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG) könnte die Rechtsprechung hingegen ermöglichen, den Verstoß gegen die entsprechenden Fristen – je nach Lage des Sachverhaltes – zu vermeiden, wenn die Veräußerung des sperrfristverhafteten Wirtschaftsguts mittelbar als Veräußerung eines Personengesellschaftsanteils gestaltet wird. Hierbei ist jedoch für den betroffenen Einzelfall zu prüfen, ob auch eine mittelbare Veräußerung des sperrfristverhafteten Wirtschaftsguts schädlich ist.

Für die Anwendung von § 6b EStG, der u.a. bei der Veräußerung von Grundstücken eine Übertragung der im Zuge der Veräußerung aufgelösten stillen Reserven auf ein neu angeschafftes Grundstück ermöglicht, dürfte die Rechtsprechung keine nachteiligen Folgen haben. Zwar ist eine Tatbestandsvoraussetzung, dass der Steuerpflichtige ein Grundstück veräußert. Da im Anwendungsbereich von § 6b EStG jedoch eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise eingenommen wird, gilt auch die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils als eine begünstigte (anteilige) Veräußerung des Grundstücks der Personengesellschaft.

Für die Beurteilung von Sachverhalten des gewerblichen Grundstückshandels dürfte die Rechtsprechung keine Änderung bringen. Veräußern Privatpersonen Grundstücke, kann dies unter bestimmten Umständen einen sog. gewerblichen Grundstückshandel begründen. Als Indiz für das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels gilt die Überschreitung der „Drei-Objekt-Grenze“. Danach ist die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines Fünfjahreszeitraums grundsätzlich gewerblich. Nach der BFH-Rechtsprechung

ist die Veräußerung der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft jedoch der Veräußerung des Grundstücks gleichzustellen. Für die Beurteilung, ob ein Gesellschafter einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, müssen mithin mittelbare Vermögensumschichtungen durch Gesellschaftsanteile beachtet werden.

Fazit: Nicht blind die Bruchteilsbetrachtung anwenden

Die Rechtsprechung des BFH stellt klar, dass die Veräußerung eines Anteils an einer Erbengemeinschaft bzw. Personengesellschaft nicht per se mit der Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gleichgesetzt werden kann. Vielmehr ist für die im Einzelfall betroffenen Regelungsbereiche zu prüfen, ob diese bei Anschaffungs- und Veräußerungsvorgängen tatbestandlich an die Nämlichkeit eines Wirtschaftsgutes knüpfen. Dieser Umstand bringt an einigen Stellen im Umwandlungsrecht Argumentationsgrundlagen und kann bei Umstrukturierungen steuerliche Gestaltungsoptionen eröffnen.

Eine ausführliche Version dieses Beitrags erscheint demnächst in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (DStR).