Bislang verfielen die steuerlichen Verlustvorträge einer Körperschaft grundsätzlich bei einem Anteilseignerwechsel über 25% anteilig und bei einem Anteilseignerwechsel über 50% sogar vollständig. Dies ergibt sich aus § 8c KStG. Der nun im Dezember 2016 final verabschiedete § 8d KStG ermöglicht es Körperschaften, die Anwendung des § 8c KStG aktiv auszuschließen und so bei umfangreichen Anteilseignerwechseln ihre Verlustvorträge zu bewahren. Die Regelung gilt rückwirkend auf schädliche Beteiligungserwerbe ab dem 1. Januar 2016.

Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen

Am 1. Dezember 2016 hat der Bundestag die finale Fassung des § 8d KStG beschlossen; am 16. Dezember 2016 hat der Bundesrat zugestimmt. Damit steht fest: § 8d KStG kommt, und zwar in der jetzt vorliegenden Form. Der Gesetzestext steht als DrS 719/16 zur Verfügung. Sobald Joachim Gauck um die Feiertage den Füller aufschraubt und das „Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ unterzeichnet, eröffnet sich für Unternehmen ein neuer Weg zur Rettung ihrer steuerlichen Verlustvorträge bei qualifizierenden Anteilseignerwechseln. Dieser Weg kann unabhängig vom Vorliegen eines Konzerns und unabhängig vom Umfang der vorhandenen stillen Reserven beschritten werden.

Überblick über § 8c KStG

Der im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 eingeführte § 8c KStG sorgt dafür, dass die bis zu einem schädlichen Beteiligungserwerb noch nicht genutzten Verluste bei einem mittelbaren oder unmittelbaren Anteilseignerwechsel zwischen 25% und 50% anteilig, und bei einem Anteilseignerwechsel über 50% vollständig untergehen. Die Anteilsverkäufe an einen Erwerber oder ihm nahestehende Personen aus einem Fünf-Jahres-Fenster sind zu addieren. Bislang bestanden nur zwei Ausnahmen zu dem grundsätzlichen Verlustuntergang: erstens, falls der Beteiligungserwerb im 100%-Konzernkreis, d.h. zwischen untereinander zu 100% beteiligten Rechtsträgern, erfolgt; und zweitens, soweit zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs in den Anteilen stille Reserven vorhanden sind. Startups auf der Suche nach neuen Eigenkapitalgebern konnten diese beiden in § 8c KStG verankerten Ausnahmen kaum nutzen. Der neue § 8d KStG wird sich somit insbesondere für Startups als nützlich erweisen, wie auch für alle anderen Unternehmen, deren Verlustvorträge bei Eigenkapital-Finanzierungsrunden bislang vom Verfall bedroht waren.

Die Wirkung des neuen § 8d KStG

Die zentrale Rechtsfolge des § 8d KStG besteht darin, dass der nachteilige § 8c KStG nicht zur Anwendung kommt, d.h. dass Verlustvorträge, die grundsätzlich wegen eines Anteilseignerwechsels über 25% entfallen würden, erhalten bleiben. Dieser begrüßenswerte Effekt hat jedoch seinen Preis: wählt eine Körperschaft § 8c KStG aktiv ab, so hat sie sich dem Regime des neuen § 8d KStG zu unterwerfen. Die Details dieses Regimes sind weiter unten erläutert. Das Risiko in diesem Regime besteht darin, dass sobald eine der in § 8d KStG genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt wird, die steuerlichen Verlustvorträge insoweit untergehen, wie sie bis zum Schluss des letzten davorliegenden Veranlagungszeitraums noch nicht mit Gewinnen verrechnet wurden.

Vor dem Anteilseignerwechsel zu erfüllende Voraussetzungen

Der neue § 8d KStG greift nur auf Antrag. Falls der Antrag gestellt werden soll, ist er zusammen mit der jährlichen Körperschaftsteuererklärung für das Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs einzureichen. In Summe betrachtet sind für eine erfolgreiche Antragstellung zwei Anforderungen zu erfüllen: Erstens darf sich der Geschäftsbetrieb seit drei Jahren oder zumindest seit Gründung der Körperschaft nicht geändert haben. Der Geschäftsbetrieb bemisst sich nach qualitativen Merkmalen, insbesondere nach den Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens, nach dessen Kunden- und Lieferantenkreis, nach den bedienten Märkten und nach der Qualifikation seiner Angestellten. Obwohl die Gesetzesbegründung großzügig anmerkt, dass organisches Wachstum des Geschäftsbetriebs unschädlich sein soll, wird es wohl häufig zu Diskussionen kommen, ob das Geschäftsmodell verändert wurde (was eine Anwendung des § 8d KStG ausschließen würde) oder nicht. Zweitens darf in dem Drei-Jahres-Zeitraum oder seit Gründung keines der sieben in § 8d Abs. 2 KStG genannten Ereignisse stattgefunden haben: die Körperschaft darf ihren Geschäftsbetrieb weder eingestellt, noch ruhend gestellt, noch einer anderen Zweckbestimmung zugeführt haben, sie darf auch keinen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufgenommen haben, sie darf sich nicht an einer Mitunternehmerschaft beteiligt haben, sie darf nicht als Organträger fungiert haben oder fungieren und ihr dürfen keine Wirtschaftsgüter unterhalb des gemeinen Werts übertragen worden sein. So verständlich die Angst des Gesetzgebers vor einer Renaissance des Mantelkaufs ist, so klar ist es, dass dieser Anforderungskatalog - wörtlich genommen - oft über das Ziel hinausschießt. Diskussionen unter Berufung auf den Sinn und Zweck der neuen Regelung sind vorprogrammiert.

Nach dem Anteilseignerwechsel zu erfüllende Voraussetzungen

Hat eine Körperschaft den Antrag auf Anwendung des § 8d KStG gestellt, muss sie die obengenannten Anforderungen weiterhin erfüllen. Verstößt sie nach der Antragstellung gegen eine der Anforderungen, so verfallen die bis zur letzten Veranlagung vor dem Verstoß noch nicht genutzten Verluste, der sogenannte „fortführungsgebundene Verlustvortrag“. Ganz gleich ob vor- oder nachlaufend: einige der Voraussetzungen leuchten unmittelbar ein. Dagegen bietet das Erfordernis eines unverändert fortzuführenden Geschäftsbetriebs – n.b. sogar ohne Aufnahme zusätzlicher Geschäftsbetriebe – gehöriges Konfliktpotenzial. Ebenfalls erstaunt, dass bereits geringfügige Buchwertübertragungen einen Verstoß darstellen sollen.

Klarheit über bis zuletzt strittige Punkte

Der Gesetzesbeschluss in Bundestag und Bundesrat gibt nun Sicherheit zu zwei bis zuletzt diskutierten Aspekten. Der erste Aspekt ist positiv: § 8d KStG gilt tatsächlich bereits mit Wirkung auf schädliche Beteiligungserwerbe ab dem 1. Januar 2016. Manch bereits verloren geglaubter Verlust kann also noch gerettet werden, nicht allerdings Verluste von vor dem 1. Januar 2016 bereits eingestellten oder ruhend gestellten Geschäftsbetrieben. Der zweite Aspekt ist dagegen unerfreulich: § 8d KStG wird im Hinblick auf den Umfang der vom Untergang bedrohten Verluste nicht mit § 8c KStG verknüpft. Dies bedeutet, dass selbst nach einem Anteilseignerwechsel von nur 30% (bis zu) 100% der Verlustvorträge verfallen können, falls die Körperschaft für das Regime des § 8d KStG optiert, dann aber gegen dessen Anforderungen verstößt. Eine Verknüpfung mit § 8c KStG hätte die im Feuer stehenden Verlustvorträge in diesem Beispiel auf 30% begrenzt. Mangels Verknüpfung kann sich die Option für § 8d KStG in bestimmten Fällen letztlich als nachteilig erweisen.

Handlungsempfehlungen

Mehr Details, Beispiele und Handlungsempfehlungen der Autoren zu § 8d KStG finden sich in Der Betrieb 2016, S. 2375-2379. Insgesamt sollten Körperschaften, bei denen in den kommenden drei Jahren ein umfassender Anteilseignerwechsel ansteht, genau prüfen, ob sie die vorlaufenden Voraussetzungen zur Optierung für § 8d KStG einhalten. In Fällen eines Anteilseignerwechsels über 50% drängt sich die Antragstellung auf Anwendung des § 8d KStG auf. Bei Anteilseignerwechseln zwischen 25% und 50% ist dagegen eine detaillierte Analyse angebracht. Der Antrag auf Anwendung des § 8d KStG sollte in solchen Fällen eher nicht gestellt werden, wenn die zeitnahe Verrechnung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags nicht wahrscheinlich und der baldige Eintritt eines schädlichen Ereignisses nicht ausgeschlossen ist. Nach erfolgreicher Antragstellung sollte in jedem Fall streng darauf geachtet werden unnötige Fehler in Form unbeabsichtigter Bedingungsverstöße zu vermeiden.