Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) hat Ergänzende Regeln für Streitverkündungen im Schiedsverfahren (DIS-ERS) veröffentlicht. Die Regelungen basieren auf dem Modell der Streitverkündung im deutschen Zivilprozessrecht und finden – wie alle Ergänzenden Regelungen der DIS – nur Anwendung, wenn die Parteien des Schiedsverfahrens dies ausdrücklich vereinbaren. Bei der Vereinbarung von Schiedsklauseln sind die DIS-ERS zukünftig in Betracht zu ziehen. Bestehende Schiedsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern sind aber nicht zwingend durch die DIS-ERS zu ergänzen.

Streitverkündung im Zivilprozess

Die Streitverkündung ermöglicht den Parteien eines Rechtsstreits, einen bisher unbeteiligten Dritten in den Rechtsstreit einzubeziehen. Voraussetzung der Streitverkündung ist, dass eine Partei glaubt, sie habe im Fall des für sie ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen den Dritten oder könne selbst von dem Dritten in Anspruch genommen werden. Der Streitverkünder vermeidet damit das Risiko, im Hauptprozess und im Folgeprozess zu unterliegen, weil die Gerichte in den Prozessen unterschiedlich entscheiden. Zudem wird die Verjährung von Ansprüchen gegen den Streitverkündungsempfänger gehemmt.

Rechtsfolge der wirksamen Streitverkündung ist, dass das Gericht in einem Folgeprozess an alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände gebunden ist, auf denen das Urteil des Hauptprozesses beruht (sog. Interventionswirkung). Das dient im Wesentlichen der Verfahrensökonomie. Die Interventionswirkung entfällt, wenn der Dritte durch die Lage des Hauptprozesses zur Zeit seines Beitritts oder durch das Verhalten der Hauptpartei gehindert war, auf die Entscheidung des Vorprozesses Einfluss zu nehmen.

Streitverkündung im Schiedsverfahren

Im Schiedsverfahren ist eine Streitverkündigung nicht ohne Weiteres möglich. Die Einbeziehung eines Dritten in das Schiedsverfahren (sog. Joinder) erfordert die Zustimmung aller Parteien, einschließlich des Dritten. Die Wirkung eines Schiedsspruchs kann auf Dritte, die am Schiedsverfahren und insbesondere an der Bildung des Schiedsgerichts nicht beteiligt wurden, nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung aller Parteien ausgedehnt werden.

Regelungen über die Streitverkündung sahen bisher weder die deutsche Zivilprozessordnung noch die in Deutschland weit verbreitete DIS-Schiedsgerichtsordnung vor. Eine Streitverkündung mit Interventionswirkung setzte deshalb bisher voraus, dass alle Parteien des Hauptprozesses und des Folgerechtsstreits der Streitverkündung zustimmten, was im Streitfall kaum möglich und daher praktisch ohne Bedeutung war. Dies soll sich durch die DIS-ERS, die bereits in der Schiedsvereinbarung für die Zukunft vereinbart werden können, ändern.

Die DIS-ERS

Die DIS-ERS enthalten ein minimalinvasives Verfahren zur Streitverkündung im Schiedsverfahren. Ihre Anwendung setzt entsprechende Abreden zwischen den Parteien im Hauptschiedsverfahren und zwischen den Parteien des Folgerechtsstreits voraus. Bei dem Folgerechtsstreit kann es sich ebenfalls um ein Schiedsverfahren nach den Regeln der DIS halten. Die Interventionswirkung kann aber auch in einem Schiedsverfahren nach anderen Regeln oder in einem staatlichen Zivilprozess eintreten. Voraussetzung ist stets, dass sowohl zwischen den Parteien des Haupt- als auch des Folgeprozesses die Interventionswirkung der Streitverkündung vereinbart wurde. Das ist der Fall, wenn in beiden Rechtsverhältnissen ein Schiedsverfahren nach der Schiedsgerichtsordnung der DIS unter Einbeziehung der DIS-ERS vereinbart wurde. Es kann aber auch zwischen Parteien vereinbart werden, dass die Streitverkündung in einem anderen als dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis Wirkung entfaltet. Für beide Situationen bietet die DIS Musterklauseln an Musterklauseln.

Inhaltlich halten die DIS-ERS die Anforderungen ein, die der Bundesgerichtshof in seiner Schiedsfähigkeits II-Entscheidung zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten aufgestellt hat.

Zulässig ist die Streitverkündung nach den DIS-ERS bis zur ersten Bestellung eines Schiedsrichters. Tritt der Dritte in Folge der Streitverkündung dem Schiedsverfahren bei, erhält er eine dem Nebenintervenienten nach der ZPO vergleichbare Position und wird an der Bestellung des Schiedsgerichts beteiligt. Er wird jedoch nicht Partei des Schiedsverfahrens. Tritt der Dritte dem Schiedsverfahren in Folge der Streitverkündung nicht bei, wird er am Schiedsverfahren nicht beteiligt, ist aber wegen der Interventionswirkung der Streitverkündung in einem etwaigen Folgeprozess an alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Schiedsurteils im Hauptprozess gebunden.

Was bedeutet die Einführung der DIS-ERS für die Gestaltung und Revision von Schiedsvereinbarungen?

Die fehlende Flexibilität des Schiedsverfahrens bei der Einbeziehung Dritter in einen Rechtsstreit und die damit verbundene prozessuale Unsicherheit sind grundsätzlich ein Nachteil des Schiedsverfahrens. Die DIS-ERS erweitern den prozessualen Handlungsspielraum der Parteien im DIS-Schiedsverfahren und steigern damit die Attraktivität des DIS-Schiedsverfahrens.

Einer der wesentlichen Anwendungsfälle der Streitverkündung sind Streitigkeiten in Lieferketten. Sofern in Lieferverträgen eine Schiedsvereinbarung nach den Regeln der DIS vereinbart werden soll, werden die DIS-ERS zukünftig in Betracht zu ziehen sein und voraussichtlich häufig zur Anwendung kommen.

In gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten hat zwar die Nebenintervention eine große Bedeutung, insbesondere in Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse. Eine eigenständige Nebenintervention sehen die DIS-ERS aber nicht vor. Die Beteiligung Dritter in Beschlussmängelstreitigkeiten wird zudem durch die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS), die in jeder Schiedsvereinbarung unter Gesellschaftern enthalten sein müssen, bereits erfasst. Für die Vereinbarung der DIS-ERS in Gesellschaftsverträgen besteht daneben kein zwingendes Bedürfnis. Dennoch sollten die DIS-ERS auch bei Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen als Option aufgenommen werden.