KG Berlin: Grenzüber­schreitender Formwechsel in deutsche Gesellschaft ist zulässig

02.12.2016 | FGS Blog

Mobilität ist im vereinten Europa für Unternehmen immer wichtiger geworden. Dies haben nicht zuletzt Diskussionen im Nachgang zum Brexit-Referendum nochmals deutlich vor Augen geführt. Das Kammergericht Berlin hat nun als zweites deutsches Obergericht den grenzüberschreitenden Formwechsel einer EU-ausländischen Gesellschaft in eine deutsche Gesellschaft bei gleichzeitiger Sitzverlegung nach Deutschland für zulässig erklärt (KG Berlin, vom 21.03.2016 - 22 W 64/15). Kleinen und mittelständischen Unternehmen bietet sich damit nun eine verhältnismäßig einfache und kostengünstige Möglichkeit zum Zuzug nach Deutschland.

Der EU-Vertrag garantiert neben dem freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr auf Ebene des sog. Primärrechts die Niederlassungsfreiheit für Personen und Unternehmen in der EU. Die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen ist auf Ebene des europäischen Sekundärrechts (Verordnungen und Richtlinien) sowie nationaler Regelungen bislang nur teilweise umgesetzt worden. So sind die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (nicht aber von Personengesellschaften) sowie die Gründung und Sitzverlegung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) ins Ausland möglich. Der Gesetzgeber hat aber bisher weder die grenzüberschreitende Spaltung noch den grenzüberschreitenden Formwechsel geregelt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits im Jahr 2012 in der Rechtssache „Vale“ entschieden, dass auch EU-ausländische Gesellschaften unter gleichzeitiger Verlegung des Satzungssitzes ihre Rechtsform grenzüberschreitend wechseln dürfen, wenn die nationalen Umwandlungsvorschriften einen solchen Formwechsel für inländische Gesellschaften vorsehen. Nach anfänglichem Zögern hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg in 2013 eine solche grenzüberschreitende Sitzverlegung einer GmbH luxemburgischen Rechts nach Deutschland für zulässig erachtet. Dies hat nunmehr das Kammergericht (KG) Berlin für eine französische S.à.r.l. bestätigt.

Im Rahmen seiner Entscheidung hat sich das KG auch zu der weiterhin umstrittenen Frage geäußert, nach welchen in Deutschland anwendbaren Regelungen der grenzüberschreitende Formwechsel zu beurteilen ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat das Kammergericht dargelegt, dass die für den Formwechsel einer deutschen Gesellschaft anwendbaren Regelungen (insb. §§ 191 ff., 226 ff. UmwG), und nicht etwa die Vorschriften über die Sitzverlegung einer SE (Art. 8 SE-VO) auf den grenzüberschreitenden Formwechsel anzuwenden sind. Die deutlich strengeren Vorschriften zur SE sind nach Ansicht des Gerichts vor allem auf multinational agierende Unternehmen zugeschnitten; ihre Anwendung würde die betroffenen Gesellschaften gegenüber deutschen Gesellschaften ungerechtfertigt benachteiligen.

Bei der Anwendung des deutschen Umwandlungsrechtes sind freilich die für deutsche Gesellschaften geltenden Anforderungen, also insbesondere die für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften, zu beachten. Gesetzliche Erleichterungen, wie beispielsweise die Entbehrlichkeit eines Werthaltigkeitsnachweises bei einem Formwechsel einer Aktiengesellschaft in eine GmbH, können hingegen nur dann angewandt werden, wenn sie inhaltlich gerechtfertigt sind. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen. Die inhaltliche Ausgestaltung des grenzüberschreitenden Formwechsels unter Beachtung der nationalen Vorschriften und in Abstimmung mit dem Registergericht stellt sich damit als eine der Kernaufgaben des (deutschen) Beraters dar. Zu beachten sind daneben aber auch die vom Wegzugstaat gemachten Vorgaben, die neben die deutschen Regelungen treten.

Die Entscheidung des Kammergerichts ist insgesamt sehr zu begrüßen, schafft sie doch ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit bei transnationalen Umstrukturierungen. Aufgrund vergleichsweise geringer Kosten wird durch den grenzüberschreitenden Formwechsel eine innereuropäische Umstrukturierung auch für kleinere und mittelständische Unternehmen zunehmend attraktiv. Es sollte damit gleichzeitig auch ein direkter Formwechsel von einer oder in eine Personengesellschaft möglich sein.