Neues zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften – auch der VIII. Senat hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit

19.07.2024 | FGS Blog

Die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften ist eine spezielle Regelung im deutschen Einkommensteuergesetz (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG). Sie besagt, dass Verluste aus Termingeschäften (z. B. Devisentermingeschäfte und Forwards oder Futures und CFDs) nur sehr eingeschränkt verrechnet werden dürfen, und zwar nur mit Gewinnen aus derartigen Geschäften und das auch nur begrenzt auf einen Betrag in Höhe von 20.000 €. Die Idee des Gesetzgebers ist es, das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen Anlagen zu begrenzen.  

Die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit dieser nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG für Termingeschäfte geltenden Verlustverrechnungsbeschränkung nimmt nun auch auf Ebene der Rechtsprechung zusehends an Fahrt auf. Bereits Ende letzten Jahres sorgte der Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz für Aufsehen (s. FGS-Blog vom 29. Januar 2024). Das Finanzgericht hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der dort gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs war mit Spannung erwartet worden. Diese liegt inzwischen vor.

Beschluss des VIII. Senats vom 7. Juni 2024

Der VIII. Senat bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts. Auch er hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bei summarischer Prüfung für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (s. BFH-Beschluss vom 7. Juni 2024). Der Senat arbeitet eine doppelte Ungleichbehandlung heraus. Die in Rede stehende Vorschrift führe zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, je nachdem, ob diese Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt haben. Darüber hinaus komme es auch zu einer Ungleichbehandlung der vom Steuerpflichtigen erzielten Gewinne und Verluste aus Termingeschäften. Die Folgen dieser asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten veranschaulicht der Senat anhand konkreter Berechnungen. Im zu entscheidenden Fall stand einer aus den Termingeschäften resultierenden Einkommensteuer von 53.456 € lediglich ein wirtschaftlicher Gewinn aus Termingeschäften von 23.342 € gegenüber, was zu einer Nachschusspflicht aus anderen Einkünften oder versteuertem Vermögen führen würde. Überdies würde es im zu entscheidenden Fall für die Verrechnung der nicht sofort berücksichtigten Verluste über zehn Jahre dauern, bis diese ausgeglichen werden könnten. Das aber auch nur, wenn in den Folgejahren ausreichend Gewinne aus diesen Geschäften erzielt würden und weitere Verluste ausblieben. Eine tragfähige Rechtfertigung für die ins Werk gesetzte (doppelte) Ungleichbehandlung erkennt der Senat nicht. Die Regelung halte bereits einer Willkürkontrolle nicht stand.

Wie geht es weiter 

Die endgültige Entscheidung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens steht noch aus. Hier gibt es nun aber auch erneut Bewegung. Das Finanzgericht Baden-Württemberg gelang im Rahmen eines Klageverfahrens nicht zu der Überzeugung, dass die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG verfassungswidrig ist (s. Urteil vom 29. April 2024). Die vom Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision wurde mittlerweile eingelegt und ist wieder beim VIII. Senat unter Az. VIII R 11/24 anhängig (s. dazu auch im Beschluss des FG Münster vom 13. Juni 2024 in Rz. 60). Derweil werden die verfassungsrechtlichen Zweifel – jedenfalls bei summarischer Prüfung – jüngst auch vom Finanzgericht Münster geteilt (s. Beschluss vom 13. Juni 2024). Mit Spannung erwartet wird ferner die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktiengewinnen nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG (s. BFH-Beschluss vom 17. November 2020; anh. BVerfG 2 BvL 3/21). Der Ausgang dieses Verfahrens könnte gerade deswegen auch für die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG von Interesse sein, weil beiden Regelungen zum Vorwurf gemacht wird, dass entsprechende Verluste bei typisierender Betrachtung in der Totalperiode nicht ausgeglichen werden können, so dass die ganze oder teilweise Nichtberücksichtigung des Verlusts droht. Dieser Effekt wird hinsichtlich der Verlustverrechnung bei Termingeschäften nochmals deutlich verschärft, indem § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG eine zusätzliche jährliche Begrenzung der Verlustverrechnung von 20.000 € einzieht.

Folgen für die Praxis 

Betroffene Steuerpflichtige müssen weiterhin aktiv werden. Zum einen müssen sie einen Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG stellen und Verluste im Rahmen der Veranlagung geltend machen. Ergeht daraufhin ein entsprechender Steuerbescheid, in dem die Verluste (nur) nach Maßgabe von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG berücksichtigt werden, besteht erneut Handlungsbedarf. Solange die Finanzbehörden die Steuer insoweit noch nicht vorläufig festsetzen, kann der Steuerfall durch fristgerechten Einspruch offengehalten werden. Mit Rücksicht auf das zwischenzeitlich beim Bundesfinanzhof unter Az. VIII R 11/24 anhängige Musterverfahren kommt ein Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO in Betracht. Zugleich werden Betroffene mit Rücksicht auf eine eintretende Liquiditätsbelastung für sich prüfen müssen, ob zusätzlich unter Verweis auf den Beschluss vom 07. Juni 2024, VIII B 113/23 Aussetzung der Vollziehung beantragt wird. Denn der Einspruch allein suspendiert nicht von der Pflicht zur Steuerzahlung.