Mit Schreiben vom 22. Dezember 2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die finale Fassung des Außensteueranwendungserlasses (AEAStG) veröffentlicht. Dem ging das Schreiben vom 19. Juli 2023 voraus, in dem der Entwurf sowie die Grundsätze zur Anwendung des AEAStG-E veröffentlicht und die Verbände um Stellungnahme gebeten worden waren .

Der AEAStG beinhaltet insbesondere auch umfangreiche Ausführungen zur Anwendung des § 15 AStG, der gezielt Steuerflucht ins Ausland durch die Errichtung oder Einbeziehung ausländischer Vermögensmassen verhindern soll.

§ 15 AEAStG

Der AEAStG zu § 15 AStG enthält wichtige Klarstellungen in Bezug auf den Zurechnungszeitpunkt, die Einkünfteermittlung, die Steueranrechnung sowie die mögliche Doppelbesteuerung zwischen Ertragsteuern und Substanzsteuern. Die Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG erfolgt unserem Verständnis nach zum Ende eines Geschäftsjahres der ausländischen Vermögensmasse.  Eine durch § 15 AStG entstehende ertragsteuerliche Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnung bereits erfasster Steuern verhindert. Positiv hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass eine Steueranrechnung ohne Personenidentität von Zurechnungsadressat und dem späteren Zuwendungsempfänger möglich ist.

Spekulationen, unbestimmte Rechtsbegriffe und Einzelfallentscheidungen

Wie bereits im AEAStG-E verweisen auch die Ausführungen im AEAStG insgesamt jedoch immer wieder auf den Einzelfall. Welche Anforderungen beispielsweise eine Bezugs- und Anfallsberechtigung konkret stellt, stellt das AEAStG nicht klar. Ebenso bleiben der Begriff der „tatsächlichen Durchführung“ (Rz. 776) in der praktischen Umsetzung und Feststellung weiterhin schwierig und die Ausgestaltung der von der Finanzverwaltung anzustellenden Auskunftsersuchen (Rz. 777) offen. Unklar bleibt ebenso, wann eine Zuwendungsberechtigung „bloß spekulativer Natur“ (Rz. 790) sein soll. Ferner stellt sich insbesondere die Frage, ob das BMF nicht an manchen Stellen in unangemessener Weise allgemeine Grundsätze aus konkreten Einzelfällen ableitet, etwa in Bezug auf die fingierte Ausschüttung, an die § 15 Abs. 1 AStG bei der Zurechnung gegenüber den Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten anknüpft (Rz. 788).

Fingierte Ausschüttung – verfassungswidrig?

Nach Auffassung des BMF kann gemäß § 15 Abs. 1 AStG eine Zurechnung auch gegenüber einer nur theoretisch bezugs- oder anfallsberechtigten Person erfolgen. Mit einer tatsächlichen Ausschüttung durch Auslegung der Satzung muss allenfalls „gerechnet werden können“ (Rz. 788). Diese fingierte Zurechnung wird sich insbesondere in den Fällen als problematisch erweisen, in denen der Anfall des Vermögens an eine oder mehrere Bedingungen geknüpft ist. Werden die Bedingungen nicht erfüllt bzw. treten diese nicht ein, war die vermeintlich begünstigte Person aufgrund von § 15 AStG in der Vergangenheit hohen Steuerlasten unterworfen, ohne später tatsächlich eine Begünstigung zu erhalten. Das BMF führt hierzu nur knapp aus, dass diesbezügliche verfassungsrechtliche Bedenken ungerechtfertigt seien. Eine prognostische, im Zweifel fingierte Ausschüttung sei aus Sicht des BMF notwendig, um den Steueranspruch des Fiskus durchsetzen zu können, weshalb es nicht auf den Rechtsanspruch des Einzelnen ankommen könne (Rz. 788). Ob diese Auffassung des BMF im Einklang mit verfassungsrechtlichen Vorgaben steht, erscheint mehr als fraglich. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Betroffenen aufgrund von § 15 Abs. 1 AStG eine übermäßige Belastung erfahren, die sie „grundlegend beeinträchtigt“ (vgl. BFH v. 14.11.2000 - IV B 156/99). Zu beachten ist jedoch, dass durch Argumentationen und Verhandlungsgeschick andere Ergebnisse erzielt werden können, solange der AEAStG verallgemeinerte Regeln aufstellt, die sich nicht auf den Einzelfall beziehen lassen.

Auch die Zusammenrechnung der Quote der Bezugsberechtigten und Anfallsberechtigten zur Erfüllung der Voraussetzung einer ausländischen Familienstiftung/ Familientrusts („zu mehr als der Hälfte“) sowie die Bewertung mit den gemeinen Werten stellt eine Verschärfung der Position des BMF dar und führt in der Praxis zu Anwendungsproblemen.

Zurechnungszeitpunkt

Zu begrüßen ist, dass die Festlegung des Zurechnungszeitpunkts auf das Ende des Geschäftsjahres (Rz. 795) für vorausschauende Planbarkeit sorgt. Beispielsweise kann die Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG durch einen Wegzug vor Ende des Geschäftsjahres vermieden werden. Eine Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG im Fall des unterjährigen Wegzugs bedürfte einer unterjährigen, laufenden Zurechnungsregelung, welche im AEAStG – wie auch bereits im AEAStG-E - nicht enthalten ist.

Fazit und Ausblick

Die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG bleibt trotz des überarbeiteten und umfangreichen AEAStG weiterhin auslegungsbedürftig. Letztendlich sind für die rechtliche Beurteilung die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidungend. Zu kritisieren bleibt, dass das BMF zwar grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls als maßgeblich ansieht, gleichzeitig jedoch hieraus allgemeine Grundsätze ableitet. Der AEAStG räumt der Finanzverwaltung einen weiten Ermessensspielraum ein, weshalb Diskussionen über die Auslegung des § 15 AStG kaum zu vermeiden sein dürften. Gleichzeitig ist jedoch zu konstatieren, dass der finale AEAStG – wie auch bereits der AEAStG-E - einige für den Steuerpflichtige günstige Regelungen enthält. Hierfür ist eine gezielte steuerliche Beratung allerdings unumgänglich.