„One man – one vote“ ist im Gesellschaftsrecht überholt. Üblicherweise richtet sich das Stimmrecht eines Gesellschafters nach seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Der Gesellschafter mit der größten Kapitalbeteiligung hat die meisten Stimmen in der Gesellschafterversammlung und beherrscht üblicherweise die Gesellschaft. Er kann Entscheidungen möglicherweise allein treffen. Die Minderheitsgesellschafter fühlen sich dem Mehrheitsgesellschafter daher oft ausgeliefert.

Der Mehrheitsgesellschafter kann grundsätzlich seine Interessen zulasten der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter durchsetzen. Eine pauschale Beschränkung seiner Stimmrechte besteht nicht, selbst wenn er eigene Interessen verfolgt. Nur ausnahmsweise sieht das Gesetz ein Stimmverbot vor. Besteht ein solches Verbot, darf der betroffene Gesellschafter nicht mitstimmen. Seine Stimme ist bei der Beschlussfassung nicht mitzuzählen. Im Zweifel wäre seine Stimme ungültig.

Der Stimmrechtsausschluss

Stimmrechtsverbote sieht das Gesetz für den eingetragenen Verein (§ 34 BGB), die Aktiengesellschaft (§ 136 Abs. 1 AktG), die Genossenschaft (§ 43 Abs. 6 GenG) und die GmbH (§ 47 Abs. 4 GmbHG) vor. Für die Personengesellschaften (GbR, OHG und KG) gibt es zwar keine vergleichbare Regelung, die Stimmverbote gelten aber entsprechend.

Der Gesellschafter einer GmbH hat beispielsweise dann kein Stimmrecht, wenn

  • er zugleich Geschäftsführer ist und über seine Entlastung abgestimmt wird;
  • er durch die Beschlussfassung von einer Verbindlichkeit befreit werden soll;
  • über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit diesem Gesellschafter abgestimmt wird; oder
  • über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter beschlossen werden soll.

Die zwei Grundgedanken sind: Ein Gesellschafter darf weder über Geschäfte mit der GmbH mit ihm selbst abstimmen noch Richter in eigener Sache sein. Das Stimmverbot besteht, weil davon ausgegangen wird, dass der Gesellschafter seine eigenen Interessen über das Wohl der Gesellschaft stellen wird.

Ein GmbH-Gesellschafter ist zum Beispiel vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn er aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen werden soll. Ein wichtiger Grund liegt meist in einer Pflichtverletzung des betroffenen Geschäftsführers. Es wird dann unterstellt, dass der Gesellschafter den Sachverhalt nicht unbefangen beurteilen kann.

Nachvollziehbar ist das Stimmverbot auch, wenn über die Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers abgestimmt werden soll. In der GmbH bedeutet die Entlastung die Billigung oder Missbilligung der Geschäftsführungstätigkeit. Zugleich verzichten die Gesellschafter auf etwaige Schadensersatzansprüche der GmbH gegen den Geschäftsführer. Es liegt auf der Hand, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer an seiner Entlastung interessiert ist – gerade, wenn etwaige Schadensersatzansprüche gegen ihn im Raum stehen.

Erstreckung des Stimmverbots auf vergleichbare Konstellationen

Das Stimmverbot besteht auch dann, wenn ein Gesellschafter die Pflichtverletzung nicht selbst begangen, diese aber veranlasst oder daran mitgewirkt hat. Auch dann ist denkbar, dass der Gesellschafter den Sachverhalt nicht unbefangen beurteilt; er ist an der Pflichtverletzung zu nah dran. Ein Gesellschafter ist auch dann vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn

  • Ansprüche gegen eine andere Gesellschaft geltend gemacht werden sollen, an der der Gesellschafter ebenfalls beteiligt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gesellschafter alle Anteile an dieser Drittgesellschaft hält.
  • Ansprüche gegen die Organe – Vorstand / Aufsichtsrat / Geschäftsführer – der Gesellschaft geltend gemacht werden sollen und diese die Pflichtverletzung auf Veranlassung und zugunsten des Gesellschafters begingen.

Rechtsfolgen

Besteht ein Stimmverbot, darf der betroffene Gesellschafter zwar nicht mitstimmen, aber an der Gesellschafterversammlung teilnehmen, Anträge stellen und mitdiskutieren. Mit den Worten des BGH soll „der Gesellschafter […] die Möglichkeit haben, darüber zu wachen, ob alle nach Gesetz oder Satzung zur Beschlussfassung notwendigen Förmlichkeiten eingehalten werden.“

Der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter muss zur Gesellschafterversammlung geladen werden. Anderenfalls droht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse (siehe dazu unseren Blog-Beitrag).

Gibt der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter seine Stimme ab, zählt der Versammlungsleiter diese Stimme mit und stellt auf dieser Grundlage einen Beschluss fest, dann ist dieser Beschluss angreifbar. Jeder andere Gesellschafter kann diesen Beschluss mit der Beschlussanfechtungsklage anfechten. Wurde mit den fälschlicherweise mitgezählten Stimmen ein Beschlussantrag abgelehnt, kann auf Feststellung geklagt werden, dass der Beschluss gefasst worden ist (positive Beschlussfeststellungsklage).

Im umgekehrten Fall, dass der Gesellschafter keinem Stimmverbot unterliegt und der Versammlungsleiter seine Stimme fälschlicherweise nicht mitzählt, ist dieses Beschlussergebnis ebenfalls angreifbar. In diesem Fall kann auf Feststellung geklagt werden, dass der Beschluss mit den Stimmen des Gesellschafters gefasst worden ist.

Zusammenfassung

  • Gesellschafter dürfen ihre Stimmrechte auch ausüben, wenn sie ausschließlich eigene, nicht dem Wohl der Gesellschaft dienende Interessen verfolgen.
  • Stimmverbote bestehen nur ausnahmsweise.
  • Der Gesellschafter, der dem Stimmverbot unterliegt, ist zur Gesellschafterversammlung zu laden. Er hat ein Teilnahme-, Antrags- und Rederecht.
  • Wenn ein mögliches Stimmverbot bestehen könnte, kommt der Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter besondere Bedeutung zu. Dieser entscheidet, ob er ein Stimmverbot berücksichtigt oder nicht und stellt das Beschlussergebnis fest. Dieser festgestellte Beschluss kann angefochten und das richtige Beschlussergebnis gerichtlich festgestellt werden.