Dieser Beitrag ist Teil 2 einer zweiteiligen Blog-Reihe. Beitrag 1 zum Thema "Update Luxemburg: Wahlrecht zum Verzicht der Freistellung von Beteiligungserträgen" lesen Sie hier

Am 23. Mai 2024 hat die luxemburgische Regierung einen Gesetzentwurf („Projet de Loi“, N° 8388) veröffentlicht, der neben der Option zum Verzicht der Freistellung von Beteiligungserträgen die steuerliche Behandlung des Rückkaufs oder der Einziehung von Anteilsklassen konkretisiert. Mit der Neuregelung reagiert der luxemburgische Gesetzgeber insbesondere auf die aktuelle Rechtsprechung des luxemburgischen Verwaltungsgerichts.

Aktuelle Rechtslage

Im Zusammenhang mit luxemburgischen Beteiligungsstrukturen stellt der Rückkauf oder die Einziehung von Aktien- bzw. Anteilsklassen ein häufig genutztes Instrument dar. Dies liegt darin begründet, dass traditionell der Rückkauf oder die Einziehung einer gesamten Klasse von Aktien oder Gesellschaftsanteilen in Luxemburg grundsätzlich nicht als Gewinnausschüttung, sondern als Teilliquidation qualifiziert. Teilliquidationen unterliegen nach luxemburgischem Steuerrecht nicht der Quellensteuer. So gilt auf Ebene der Gesellschaft, bei vollständiger oder teilweiser Aufteilung des Gesellschaftsvermögens, der den Gesellschaftern zugeteilte Ertrag als Liquidationserlös. Auf Ebene des Gesellschafters ist der Ertrag grundsätzlich als Veräußerungsgewinn zu qualifizieren, der nur dann steuerpflichtig ist, wenn die Beteiligung Teil des Nettovermögens eines Unternehmens ist oder wenn die Beteiligung als wesentliche Beteiligung eingestuft wird. Von einer wesentlichen Beteiligung ist grundsätzlich bei einer Beteiligungsquote von mehr als 10% in einem Zeitraum von fünf Jahren auszugehen. Eine Teilung des Gesellschaftsvermögens ist bisher insbesondere im Falle eines Anteilsrückkaufs oder der Einziehung von allen Beteiligungen einer Anteilsklasse, gefolgt von einer proportionalen Kapitalherabsetzung, anzunehmen. Damit lassen sich über eine Liquidation von Anteilsklassen luxemburgischer Gesellschaften (sog. Alphabet Shares) Veräußerungsgewinne quellensteuerfrei repatriieren.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit der Änderung von Art. 101 des luxemburgischen Einkommensteuergesetzes auf das Urteil des Verwaltungsgerichts („Tribunal administratif“) v. 27.01.2023 in der Rechtssache Nr. 42432 reagiert, welches auf dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs („Cour administrative“) v. 23.11.2017 in der Rechtssache Nr. 39193C basiert. Das Urteil hatte den Rückkauf einer gesamten Klasse zum Gegenstand. Der alleinige Anteilseigner ging bei dem Rückkauf und der anschließenden Annullierung der Anteilsklasse von einem Liquidationserlös aus, der nicht der luxemburgischen Quellensteuer unterliegt. Im Gegensatz dazu ordnete die Finanzbehörde die Transaktion als missbräuchlich ein und qualifizierte den Ertrag aus dem Rückkauf als quellensteuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttung. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Rückkauf und dessen anschließende Annullierung als Teilliquidation zu qualifizieren sind und somit keiner Quellensteuer unterliegt. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Rücknahmepreis den Marktwert der Anteile übersteigt. Durch den Gesetzesentwurf wird nun die Regelung zur Teilliquidation in Art. 101 des luxemburgischen Einkommensteuergesetzes konkretisiert.

Angekündigte neue Rechtslage

Im Gesetzentwurf wird klargestellt, dass beim Rückkauf oder der Einziehung einer gesamten Anteilsklasse und einer entsprechenden Kapitalherabsetzung innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Rückkaufs oder der Einziehung, das Nettovermögen dieser Gesellschaft in Höhe des Anteils als geteilt gilt, der der betreffenden Anteilsklasse entspricht. Die Anwendung dieser Teilliquidationsregelung steht nach dem Gesetzesentwurf unter den folgenden kumulativ zu erfüllenden Bedingungen:

  1. die Rücknahme oder der Einzug beziehen sich auf eine ganze Klasse von Aktien oder Gesellschaftsanteilen;
  2. die Klasse von Aktien oder Gesellschaftsanteilen wurde zum Zeitpunkt der Gründung oder einer Kapitalerhöhung des Unternehmens gebildet;
  3. jede Klasse von Aktien oder Gesellschaftsanteilen hat wirtschaftliche Rechte, die in der Satzung des Unternehmens festgelegt sind und die sich von denen der anderen Klassen von Aktien oder Gesellschaftsanteilen unterscheiden und
  4. der Preis für die Rücknahme oder Einziehung einer Anteilsklasse folgt vorbestimmten Kriterien (Satzung o.ä.), wobei diese den gemeinen Wert der Anteilsklasse zum Zeitpunkt der Rücknahme oder Auszahlung widerspiegeln müssen.

Der Rückkauf oder die Einziehung einer Klasse müssen keine Änderung der Beteiligungsquote des Anteilseigners zur Folge haben. Ein gesondertes wirtschaftliches Recht – was für die Unterscheidung der Anteilsklassen erforderlich ist – liegt unter anderem vor, wenn ein Recht auf Vorzugsdividenden oder ein ausschließliches Recht auf Gewinne innerhalb eines bestimmten Zeitraums gewährt wird.  

Würdigung der neuen Regelung  

Bisher ist die Vorschrift, die den Anwendungsbereich des geteilten Vermögens betrifft, und die dementsprechende Qualifizierung als Veräußerungsgewinn (bzw. Liquidationserlös) sehr allgemein gehalten. Nach aktueller Rechtslage sind bis auf die zu erfolgende Kapitalherabsetzung keine konkreten Voraussetzungen normiert. Der Rückkauf oder die Einziehung von Anteilsklassen erfolgt in Luxemburg üblicherweise nach dem „common practice“-Ansatz. Vor diesem Hintergrund wird durch die Änderung in Art. 101 des luxemburgischen Einkommensteuergesetzes der Anwendungsbereich für solche Gestaltungen einerseits zwar eingeschränkt. Andererseits wird die Rechtssicherheit für die verbleibende Konstellation signifikant erhöht. Insbesondere besteht eine größere Rechtssicherheit in Bezug auf das Risiko einer Annahme missbräuchlicher Gestaltungen durch die Finanzbehörden, wie es dem Urteil des Verwaltungsgerichts v. 27.01.2023 zu Grunde lag. Darüber hinaus ergeben sich durch die Änderungen jedoch weitere – noch nicht geklärte – Probleme. Dies betrifft beispielsweise die Ermittlung des Veräußerungspreises und ob dieser durch die Finanzbehörden anerkannt wird sowie die weiterhin unbeantwortete Frage, ab wann es sich bei dem Anteilrückkauf um eine missbräuchliche Gestaltung handelt.