Dieser Blog-Beitrag ist in Zusammenarbeit mit unserer französichen Kollegin Clara Messmer von Arsene Taxand entstanden. 

In den Jahren 2021 bis 2023 (zuletzt im Oktober 2023) kam es zu mehreren Urteilen französischer Finanzgerichte bezüglich der Anrechenbarkeit nicht-französischer Quellensteuer im Zusammenhang mit nichtabziehbaren Betriebsausgaben bei Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen.

Anwendbares französisches Steuerrecht

Ähnlich wie in Deutschland unterliegen in Frankreich Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne aus Anteilen effektiv nicht dem gewöhnlichen Körperschaftsteuersatz (25%), sondern sind grundsätzlich steuerfrei (vergleichbar mit § 8b Abs. 1 und 2 KStG). Auch in Frankreich kommt es aber zu einer pauschalen Nichtabzugsfähigkeit eines Anteils von Betriebsausgaben (in fr. „QPFC“), der das zu versteuernde Einkommen wiederum erhöht (vergleichbar: § 8b Abs. 3 und 5 KStG, sog. „Schachtelstrafe“). Zweck der QPFC ist es, die abziehbaren Aufwendungen der Muttergesellschaft teilweise zu neutralisieren. Vor der nachfolgendenden Rechtsprechung konnte, im Fall von grenzüberschreitenden Erträgen, die ausländische Quellensteuer nicht auf die französische QPFC angerechnet werden (12%, 5% oder 1% QPFC).

Gerichtsentscheidungen

In der Rechtssache L'Air Liquide[1] urteilte der Conseil d‘Etat hinsichtlich Veräußerungsgewinnen aus Anteilen, dass die ausländische Steuer auf die QPFC angerechnet werden kann: „Angesichts der Art und Weise wie die Beträge ermittelt werden, zielen die Bestimmungen nicht darauf ab, die Betriebsausgaben, die für die Veräußerung der Anteile aufgewendet wurden, zu neutralisieren, sondern die Veräußerungsgewinne einem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.“

Steuerpflichtige wollten diese Rechtsprechung auch auf andere Fälle anwenden, insbesondere hinsichtlich Gewinnausschüttungen. Die Logik des Urteils L'Air Liquide wurde in einem weiteren Urteil am 27. Januar 2022 auf Gewinnausschüttungen übertragen[2].

Zu diesem Zeitpunkt gab es noch einige Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen praktischen Anwendung, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Anrechnung:

Es lagen zwei Lösungsansätze vor:

  1. Anrechnung der ausländischen Steuer auf den Betrag der QPFC (bevorzugte Lösung);
  2. Anrechnung der ausländischen Steuer auf den Betrag der QPFC nach Abzug der tatsächlich angefallenen Kosten.

Im April 2023 brachte der Conseil d‘Etat dann Klarheit bezüglich dieser praktischen Modalitäten[3]. Er stellte klar, dass, wenn der Betrag der tatsächlich für die Veräußerung oder den Erhalt der Dividenden aufgewendeten Kosten unter der QPFC von 5% liegt, dies bei der Ermittlung der maximal anrechenbaren ausländischen Steuer zu berücksichtigen ist:

Französischer Steuersatz (25% in 2023) × (QPFC - tatsächlich entstandene Kosten).

Diese Lösung warf Fragen bezüglich des Nachweises der Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten auf. Daraufhin schloss das zweithöchste Verwaltungsgericht von Paris (in fr. „Cour administrative d’appel de Paris“) in einer Entscheidung vom 11. Oktober 2023 die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die QPFC aufgrund fehlenden Nachweises hinsichtlich der tatsächlich angefallenen Kosten komplett aus[4]. Die Klägerin (Steuerpflichtige) trug vor, dass keine die Anrechnung begrenzenden Kosten entstanden seien. Daher forderte sie eine Anrechnung in Höhe des französischen Steuersatzes auf die ganze QPFC. Als Nachweis beschränkte sich die Klägerin darauf, eine "einfache Liste“ der im Laufe des betreffenden Geschäftsjahres angefallener Kosten vorzulegen. Dem Gericht reicht ein solches einfaches Dokument nicht aus, um die Richtigkeit der darin aufgeführten Kostenbeträge nachzuweisen. Es sind somit hohe Anforderungen an den Nachweis zu berücksichtigen, dass tatsächlich keine Kosten im Zusammenhang mit dem Veräußerungsgewinn/der Gewinnausschüttung angefallen sind.  

Aus deutscher Sicht

Die obigen Urteile sind auch aus deutscher Sicht interessant, da sich eine vergleichbare Problematik im Hinblick auf die Schachtelstrafe der § 8b Abs. 3 und 5 KStG stellt, wobei hier schon die Anrechnungsmöglichkeit an sich umstritten ist. Bei Gewinnausschüttungen spricht sich die wohl herrschende Meinung in der Literatur gegen eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die Steuer auf die 5% nichtabziehbaren Betriebsausgaben aus. Argumentiert wird mit der Steuerfreistellung der Ausschüttung an sich. Bei den 5% nichtabziehbaren Betriebsausgaben handele es sich gerade nicht um Einkünfte aus der Gewinnausschüttung. Bei Veräußerungsgewinnen ist das Bild noch etwas unklarer. Soweit ersichtlich gibt es zu beiden Fragen keine eindeutigen Aussagen der Finanzverwaltung oder der Rechtsprechung, sodass eine Klarstellung wie in Frankreich wünschenswert wäre.    

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[1] Conseil d‘Etat, 15. November 2021, n°454105.

[2] Cour administrative d’Appel de Lyon, 27. Januar 2022, Sté A. Raymond et Cie und CE, 5. Juli 2022, SA AXA.

[3] Conseil d‘Etat, 7. April 2023, n°462709, Sté A. Raymond et Cie.

[4] Cour administrative d’Appel de Paris, 11. Oktober 2023, n°21PA05034, Sté Rocher Participations.